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Sonntag, 3. Dezember 2017

Ich bin stolz,

denn ich hab den Abend gestern überlebt. Diesen rabenschwarzen Abend mit unendlich vielen Tränen und Verzweiflung und Nicht-mehr-Aushalten-Können.

Nicht-mehr-Aushalten-Können diese quälenden negativen Gefühle in mir. Für nichts mehr Interesse zu haben, nicht mal mehr für die Socken, die ich meiner geliebten Enkeltochter zu Weihnachten stricken möchte. Nicht für das, was im Fernsehen läuft. Nicht mal für den Film, den ich mir extra von meinem Taschengeld gekauft habe, weil ich Filme mit viel Musik so liebe (LaLaLand).

Diese unerträgliche Leere in mir treibt mich zu Gedanken, wie, dass es besser ist zu sterben. Dass ich gestern Abend sogar den lieben Gott darum gebeten habe, mich diese Nacht sterben zu lassen. Einfach und ganz still während des Schlafens in den Tod hinwegzugleiten, habe ich mir gewünscht. (Und schon rollen bei mir wieder die Tränen).

Das einzige, was mich davon abgehalten hat, selbst mein Leben zu beenden, war der Gedanke, dass ich das meinem Schatz und meinen Söhnen nicht antuen kann. Und ich glaube auch die Feigheit vor dem allerletzten Schritt.

Jetzt ist Sonntag sehr zeitig früh (2: 43 Uhr) seit ca. einer Stunde bin ich hell wach. Ich habe Angst davor, was dieser Sonntag mir bringen wird. Wieder diese schlimmen Depressionen??? Diese inneren Qualen???? Da ist aber auch Hoffnung, dass mir dieser Sonntag Erleichterung bringt. Erleichterung, wie ich sie gestern Mittag hatte, als ich nach einem Schlaf nach dem Frühstück ohne Depressionen wieder aufwachte. Ich war "nur" noch nervlich fertig. Diese Erleichterung wünsche ich mir für den heutigen Tag, denn heute wäre schon der 5. Tag hintereinander mit diesen unaushaltbaren Gefühlen.

M. es tut mir leid, dass ich dies hier schreibe, weil ich weiß, dass ich Dich damit erschrecke. Ich weiß, dass Du Angst hast, mich als Freundin zu verlieren. Wo wir uns doch mit unseren Beschwerden immer so gut gegenseitig stützen. Eine sehr wertvolle Freundschaft. Aber ich muss das hier schreiben. Ich muss es mir von der Seele schreiben.

Mein Schatz macht alles richtig. Ja, er steht hilflos daneben, wenn ich vor Qualen weine. Gestern hat er gesagt, dass er nicht mehr weiß, was er machen soll. Ich habe darauf geantwortet: "Du bist da, ich bin nicht alleine, das ist das Allerwichtigste". (Und wieder strömen die Tränen aus mir heraus)

Eine Stunde gebe ich mir noch, dann lege ich mich wieder hin und versuche nochmal zu schlafen. Denn ich weiß, wenn ich jetzt die Nacht durchmache, geht es mir morgen noch schlechter, weil ich dann noch zusätzlich total übermüdet bin.

Ich hab so viel Schönes im Leben. An erster Stelle steht da mein Schatz, der immer für mich da ist. Mein Partner, mein Geliebter, mein allerbester Freund. Ich hab durch meine gute Rente ein gesichertes Einkommen, so dass es uns finanziell gut geht. Wir können zwar keine großen Sprünge machen, haben kein Auto, aber wir haben genug zum Leben, eine schöne kleine Wohnung, in der wir getrennt schlafen können (weil ich doch so sehr laut schnarche), müssen uns nicht die billigsten Lebensmittel kaufen und können uns immer wieder mit Kleinigkeiten Gutes tun, wenn wir es brauchen. Mein Schatz kann somit sein Technikinteresse stillen und ich mein Verlangen nach schöner Wolle. Ich habe regelmäßigen Kontakt zu meinem Kleinen, auch wenn wir uns im März das letzte Mal gesehen haben und mir die ausgiebigen Gespräche über sein Leben fehlen. Aber wir schreiben uns regelmäßig über WhatsApp, rufen uns gelegentlich an, wenn es seine knappe Zeit zulässt. Z.B. hat er mich sofort angerufen, als er die Zusage für seine neue Arbeit bekommen hat. Schade, dass ich den Anruf verpasst habe. Aber er hat es mir als Sprachnachricht gesendet. Ich bin dankbar dafür, dass wir Kontakt haben, war es mit uns beiden besonders in der Pubertät doch nicht immer einfach. Er hat sich nicht von mir abgewendet, wie sein großer Bruder.
Zu meiner Enkeltochter habe ich auch endlich regelmäßig Kontakt. Sie hat jetzt mit 9 Jahren ein Handy und somit kann ich die Verbindung zu ihr über WhatsApp halten. Zum Glück. Denn es kommt einfach nicht mehr zu einem Treffen, obwohl wir in derselben Stadt wohnen. Ihre Mutti hat dafür keine Zeit und die Möglichkeit über meine Mutti, bei der sie sehr oft ist, brach Mitte des Jahres wieder weg. Ich musste den Kontakt wieder abbrechen, sie hat mir nicht gut getan. Aber ich bin glücklich darüber, dass ich meiner Kleinen schreiben kann und regelmäßig von ihr Fotos sehe. Und ich möchte die Socken für sie zu Weihnachten unbedingt noch schaffen.
Ich habe einige wertvolle Freundinnen. Mit M., wie oben erwähnt, habe ich zwar nur schriftlichen Kontakt, aber sehr intensiv. K. habe ich bei dem diesjährigen Klinikaufenthalt kennengelernt, wir tragen uns auch durch gegenseitiges Mut machen. Wenn sie mir schreibt, ich sei sehr tapfer, dann baut mich das ungemein auf. Sie hat eine ähnliche Krankheit wie ich. I. wohnt zwei Minuten entfernt, sie habe ich 2010 in der Klinik kennengelernt. 8 Wochen lang haben wir in einem Zimmer Freud und Leid geteilt. Das ist eine lange Zeit. Da lernt man sich gut kennen. Sie ist eine ganz couragierte und hat es schon oft geschafft, dass ich meinen Hintern hochbewegt habe, wo ich dachte, es geht einfach nicht. M., die schon immer Verständnis für mich mit meiner Krankheit hatte und jetzt aus heiterem Himmel selber erkrankt ist, schrieb mir gerade gestern, dass sie ein gutes Vorbild hat, um das durchzustehen, mich. Das hat mich sehr geehrt. Frau K., die liebe Omi, welche ich 2015 in der Klinik kennenlernte, wartet auch immer auf einen Anruf von mir. Wir können uns so liebevoll miteinander unterhalten. Es wird Zeit, dass wir wieder zusammen einen Kaffee trinken gehen. Oder eine dicke heiße Schokolade, wie sie sie in unserem Lieblingscafé entdeckt hat.
P., die sich zwar nie von sich aus meldet, aber meine längste Freundin ist. Und wo mit ihr Sprechen, wie nach Hause kommen für mich ist. Kein Wunder, kennen wir uns doch schon seit unserem 8. Lebensjahr.
E., die ich im Häkelclub vor Jahren schon kennengelernt habe, vernachlässige ich in letzter Zeit auch viel zu viel. Es gab eine Zeit, da hatten wir sehr intensiven telefonischen Kontakt. Besonders in der Zeit, wo mein Süßer so schwer erkrankt war. Sie ist so ein guter Mutti-Ersatz. Es wird Zeit, dass ich wieder mit ihr telefoniere. Genauso mit K., auch aus dem Häkelclub. Wir hatten auch sofort einen super Draht und bewundern uns gegenseitig, wie wir das Leben, trotz schwerer Krankheiten, meistern.
Und dann hab ich ja noch meine Gruppe, die psychoedukative Gruppe in der Klinik, zu der ich jeden Dienstag gehe. Wenn ich bei ihr war, gehe ich meistens mit neuem Schwung für den Tag nach Hause. Diese Woche waren wir im Werksverkauf unserer Keksfabrik. Da waren wir eine Stunde unterwegs (Hin und zurück). Ich hatte erst gar keine Lust, wollte mir aber auch nicht die Blöße geben, nicht mitzugehen. Mir graute vor dem langen Weg. Aber, auch wenn ich unterwegs sehr stark schwitze (die Kilos!), es ging gut. Ich hab das erste Mal gesehen, was für eine tolle Auswahl von sehr leckeren Keksen sie haben. Und es hat mir so viel Schwung gegeben, dass ich abends noch im Häkelclub mit 3 Frauen angeregt gechattet habe und danach mir sogar noch "Sing meinen Song- Das Weihnachtskonzert" ein Stückchen angesehen habe.

Das war jetzt ein ganz langer Absatz mit Dingen, die mir gut tun.

Aber gestern Abend war das alles NICHTS. In einer Depression kommt nichts positives zu einem durch. Alles ist rabenschwarz. Es gibt keine angenehmen Gefühle. Keine positven Gedanken. Nur der Schmerz der unendlichen Traurigkeit und die unerträgliche Leere. Und mein Schatz macht das einzig richtige, er ist für mich da, er nimmt mich immer wieder in die Arme. Mein Halt. GEnau, wie die oben aufgezählten Freundinnen und Bekannten mein Halt sind. Und meine Jungs. Ja auch der Große, obwohl er nichts mehr von mir wissen will, seit Jahren.

Jetzt, Sonntag 3.20 Uhr, sind unbegründete Traurigkeit und Leere weg. Und ich hoffe so sehr, dass sie für den Rest des Tages weg bleiben. Ansonsten werde ich morgen meine Ärztin anrufen. Denn, wenn die Gedanken sterben zu wollen, heute oder in den nächsten Tagen wieder kommen, ist es besser, ich gehe nochmal in die Klinik - meine schützende Burg. Meine Ärztin hat die Station gewechselt und da ich ja mir ihr mitgehe, wäre es dieses Mal auch nicht mehr die Geschlossene, sondern eine Station, die ich auch schon kenne, weil ich dort vorher schon 2-3 Mal war.

So, jetzt werde ich mal versuchen, noch eine halbe Stunde an den Socken für meine Kleine zu stricken und dann nochmal schlafen.

Ich bin sehr dankbar, dass ich das alles hier schreiben kann. Von der Seele schreiben hat mir schon immer gut getan.