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Samstag, 15. Juli 2017

Langsam fange ich wieder an,

meinen Blog zu lieben.

Auf einmal, wie aus dem Nichts, purzeln wieder die Themen.

Naja, ich hab ja auch einiges in den letzten zwei Wochen erlebt. ;o)

Viola

Mit Viola hatte ich am Anfang so meine Schwierigkeiten.

Sie kam mir, mir gegenüber so abwehrend vor. So als könnte sie mich überhaupt nicht leiden, weil sie mich nicht richtig einschätzen kann.

Ungefähr so, als dächte sie über mich - was issen das für ne Tussi und so ein Weichei - Neeee, die brauch ich nicht, die lass ich nicht an mich ran.

Unsere Blicke wichen lange voreinander aus. Ja, ich traute mich gar nicht, Ihr in die Augen zu gucken. Aber warum eigentlich? Ich hatte keine Angst vor ihr. Aber ich merkte, ihr sollte ich lieber nicht zu nahe treten.

Vom Äußeren her erinnerte sie mich im ersten Moment an unsere Catcherlady von der Disko, die mich damals mächtig mies angemacht hat, nur weil meine Freundin einen Aufnäher einer verhassten Fußballmanschaft auf der Jeansjacke hatte. (Das waren noch Zeiten )

Also beobachtete ich sie erst einmal ganz unauffällig. So, dass ich absolut nichts mit ihr zu tun haben wollte, war es auch nicht.

Als nächstes fiel mir im Frühstücksraum auf, dass sie gerne ein paar coole und lockere Sprüche losließ. Das fand ich nicht schlecht.

Doch, dass sie gemeinsam mit Matze über jeden ablästerte, fand ich unangenehm. Da fühlte ich mich unwohl, weil ich dachte, was sie wohl an mir rummäkeln würde.

Naja, wenn mich dann Menschen doch interessieren, lasse ich ja nicht locker ;o). Als sie an einem Morgen mit der Aufschrift "Feuerwehr für immer" auf der Jacke in den Speiseraum kam, sprach ich sie an. "Du Viola, bist Du bei der Feuerwehr?". Das erste mal sah ich ein leichtes Lächeln in ihrem Gesicht. Es sprach wirklich Stolz aus ihrer Stimme, als sie mir sagte, dass sie das lange war. Ich fand das so toll, dass ich es ihr auch zeigte. Stellt Euch mal vor, die Viola hat schon echte Brände gelöscht - als Frau. Aber ich konnte es mir bei ihr gut vorstellen. Schon von der Statur her und auch bei ihrer Art.

Und schon war das Eis gebrochen. Ich lächle gerade.

Als es dann später Kathrin und mir auf Station zu brenzlig wurde und ich ja gegangen bin, tröstete sich Kathrin damit, dass sie die Schwestern bitten wollte, dass Viola zu ihr ins Zimmer verlegt wird. Ich muss Euch dazu sagen, dass ich mit Kathrin zum Schluss auf einem Zimmer lag und sie auch fürchterliche Angst vor den zwei agressiven Typen hatte. Mit Viola als meiner Nachfolgerin auf unserem Zimmer fühlte sie sich sicherer.


Ein kleiner Brief:

Hallo Tanja, schön von Dir zu lesen :o).

Ja, ich hab ein wunderschönes entspanntes Wochenende vor mir. Wir gehen nachher ein bisschen durch unsere Wohngegend und ich gucke mir an, was sich alles in den letzten zwei Wochen verändert hat. Ich war nämlich wieder in meiner Klinik und das hat mir sooo gut getan. Obwohl es diesmal eine geschlossene Abteilung war (das ließ sich wegen Arztwechsels nicht vermeiden), hat mir der Aufenthalt sehr viel gebracht. Ich habe mit einer Medikamentenumstellung begonnen und fühle mich viel wacher, als die letzten Jahre. Und angenehmen Schwung konnte ich auch mitnehmen, da ich eine wunderbare Bettnachbarin hatte, die mich sozusagen ganz liebevoll in den Hintern getreten hat, so dass ich sogar das erste Mal seit Jahren wieder in einer Boutique war. Es war eine sehr schöne Gemeinschaft, wir haben uns gegenseitig sehr gut getan.

Geschlossene Abteilung hört sich erst einmal sehr krass an, stimmts Tanja. Aber wir nicht so sehr Verwirrten konnten ja trotzdem ein und aus gehen, wie wir wollten. Nur, dass wir immer klingeln mussten, weil dann von den Schwestern eine Schleuse aus zwei Türen geöffnet werden musste.

Es war wieder eine ganz andere Erfahrung. Es liefen da den ganzen Tag zwei sehr verwirrte junge Männer durch die Flure und hämmerten teilweise gegen die Tür, weil sie raus wollten. Es war nicht leicht, damit umzugehen. Ich fühlte mich von denen auch teilweise beobachtet und abgecheckt. Besonders, wenn ich sehr ängstlich an ihnen vorbei ging. Machte aber die Erfahrung, dass sie mir leicht auswichen, wenn ich sehr selbstbewusst und sie ignorierend an ihnen vorbei ging.

Das war schon teilweise harter Tabak. Letztendlich unterhielt ich mich gestern mit einer Schwester und sie erklärte mir, auf mein Nachfragen, dass es keine 100 prozentige Sicherheit für uns Mitpatienten gibt. Daher entschloss ich mich sehr spontan, wieder nach Hause zu gehen.

Ich verstehe das nicht. Es kann doch nicht sein, dass gefährliche und nicht gefährliche Verwirrte zusammen auf einer Station sind. Und selbst der Oberarzt sagt, dass die Belegschaft erst handeln darf, wenn etwas passiert ist. Das heißt, erst dann wird der rote Knopf gedrückt und innerhalb von 2 Minuten ist die ganze Belegschaft der Klinik auf der Station. Dass dann die Polizei auch hinzukommt, ist ja selbstverständlich.

Dieses geringe Restrisiko hat mir gestern gereicht, um nicht mehr dort sein zu wollen.

Da es aber eine ganz tolle Klinik ist. Haben die Ärztin und die Schwestern mich verstanden und es war überhaupt kein Problem so doch recht Hals über Kopf abzureisen.

Ich hatte da mit einer sehr erfahrenen Schwester gesprochen. Sie arbeitet bestimmt schon 30 Jahre in einer Psychiatrie. Sie zeigte mir sehr deutlich, dass es wirklich für mich besser ist, zu gehen. Dafür musste ich sie einfach mehrmals dankbar drücken. Ich hatte mich schon vorher sehr gut mit ihr verstanden. Sie ist ein richtiger Spaßvogel.

Ja, und nun bin ich wieder zu Hause und das fühlt sich richtig schön an.

Meine Prioritäten, was die Zeiteinteilung betrifft, haben sich nun auch etwas verschoben. Ich werde nicht mehr den ganzen Tag nur auf der Couch sitzen und stricken. Nein, ich werde auch wieder in die Stadt gehen und bummeln. Außerdem endlich wieder ein paar Pflichten im Haushalt übernehmen. Und mal sehn, was ich noch so für Ideen für meine Freizeit habe. Du Tanja, ich merke endlich wieder, dass ich lebe. Dafür bin ich so dankbar.

Aber ein Strickprojekt habe ich totzdem noch auf den Kisten an meiner Couchecke liegen - eine Fischermütze für meinen Kleinen. Die sind doch jetzt bei den jungen Leuten sowas von in. Darauf freue ich mich schon, denn ihm standen schon als Kind die verrücktesten Mützen.

Liebe Tanja, ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und bin schon gespannt, wie die tollen blauen Stulpen aussehen werden.